von Hartmut F. Reck, 10.7.2025
Kultur ist keine Last …
. . . und Kunst braucht Raum – Soll das Stadtbad für neue Zwecke erhalten bleiben?
Kunst und Kultur brauchen Raum, und Raum kostet Geld. Auf diese Formel lässt sich die Frage der Kunst- und Kulturförderung herunterbrechen. Als Raum bietet sich das ehemalige Luckenwalder Stadtbad an. Aber lohnt sich das? Wenn ja, wie schön! Wenn nein, geht dann die Kultur baden?
Luckenwalde. Wo einst die meisten Luckenwalder schwimmen lernten, saßen am Montag, dem 7. Juli 2025, gut hundert Gäste im leeren abschüssigen Schwimmbecken des ehemaligen Luckenwalder Stadtbades oder beobachteten die Diskussion über die Zukunft eben dieses Bades von den Balustraden der früheren Umkleidekabinen aus.
Es gehe darum, der Kunst und der Kultur Räume zu schaffen, stellte eingangs Pablo Wendel fest. Der renommierte Künstler ist Betreiber des unmittelbar nebenan gelegenen Kunst- und Kulturzentrums „E-Werk“. Und wie vor hundert Jahren das E-Werk mit seiner Abwärme das Stadtbad über die Straße hinweg nachhaltig beheizte, so strahlt es nun als Künstlerhaus auf das im Dornröschenschlaf verharrende Paradebeispiel einstiger sozialer Wohlfahrt aus, welches geprägt ist von der fortschrittlichen Stadtentwicklung in den 1920er Jahren durch die von der SPD geführten Stadtverwaltung.
Was also tun mit dem Baudenkmal, das als Badeanstalt nicht mehr zu benutzen ist? Und was bringt eine lebendige Kulturszene für eine Stadt wie Luckenwalde? Und was für eine Förderung braucht man dafür? Diese Fragen stellte das „Bündnis Demokratisches Teltow-Fläming“ und hatte dazu die auswärtige Künstlerin Nicole Nikutowski, die Touristikerin Bettina Wedde, die ehrenamtliche Leiterin des Niedergörsdorfer Kulturzentrums „Das Haus“, Andrea Schütze, und zunächst nur drei der insgesamt sieben Luckenwalder Bürgermeister-Kandidaten eingeladen: den „parteilosen Kandidaten“ Jochen Neumann, der seit 2008 für die Linkspartei in der Stadtverordnetenversammlung sitzt, den „unabhängigen Kandidaten“ Gordon Roth, den die Wählergemeinschaft GFL nominiert hat, und den SPD-Kandidaten Matthias Grunert, Stadtverordneter seit 2014. Später gesellten sich noch der CDU-Kandidat Felix Menzel und der (tatsächliche) Einzelkandidat Olaf Wendel dazu.
Grundsätzlich waren sich natürlich alle einig, dass Kunst und Kultur „ganz wichtig“ sind. Die Geister schieden sich aber spätestens, als der GFL-Mann Roth verlangte, dass Kultur ideologisch frei sein müsse und nicht zur politischen Meinungsbildung beitragen dürfe. Dafür kassierte er gleich einige Buh-Rufe. SPD-Mann Grunert entgegnete, dass Kultur zunächst einmal alles dürfe, natürlich alles innerhalb des gesetzlichen Rahmens, wie er als Polizeibeamter betonte. Der von den Linken unterstützte Neumann ergänzte, dass Kultur nicht diskriminieren dürfe.
Der Knackpunkt aber, an dem sich die unterschiedlichen Kulturauffassungen zwischen Roth (GfL) und all den anderen anwesenden Kandidaten offenbaren, ist die Finanzierung der Gebäudesanierung im ehemaligen Stadtbad. Dieses soll laut Konzept eben Raum für Kunst und Kultur, Platz für entsprechende Aktivitäten für Künstler und ganz „normale“ Menschen bieten, um sich dort kreativ auszutoben. Obendrein bestünde dort die Möglichkeit, Ateliers, Galerien oder kleine Läden zu vermieten.
Gordon Roth beharrt darauf dass auch aufgrund des städtischen Defizits von 4,4 Millionen Euro die Sanierung des Stadtbads „nicht auf Kosten der Luckenwalder“ gehen darf. Aber ohne eine Million Euro Eigenanteil gibt es keine zwei weitere Millionen Euro Fördermittel. Und dann werde aus dem Projekt nichts, warnte Matthias Grunert: „Die Strategie muss vielmehr sein: Wir nehmen eine Million in die Hand und nehmen die Förderung in Anspruch.“ Ein Konzept habe die Stadt bereits. Ohne sie hätte man den Fördermittelgeber gar nicht überzeugen können, so der SPD-Kandidat.
Künstlervertreterin Nicole Nikutowski bezeichnete Roths Ausgabenverweigerung als „armselige Rechnung“. „Die Kultur wird ohnehin nur marginal gefördert, macht aber so viel aus“, betonte sie. „Man muss eine lebendige Kultur gezielt fördern und das nicht nur mit Geld, sondern auch strukturell!“ Wäre sie Bürgerin der Stadt Luckenwalde, würde sie diese Kulturförderung nicht als Last empfinden.
Das sieht auch Jochen Neumann so: „Mit jedem Euro für die Kultur nimmt man den Menschen doch nichts weg.“ Im Gegenteil, meinte auch Andrea Schütze, die hauptberuflich stellvertretende Bürgermeisterin von Niedergörsdorf ist. Wenn‘s nach ihr ginge, dürfte Kulturförderung nicht nur eine freiwillige Aufgabe für die Kommunen sein, sondern müsste eine Pflichtaufgabe werden.
Ein flammendes Plädoyer für den Erhalt und die Nutzbarmachung des alten Stadtbads hielt der ehemalige Luba-Geschäftsführer Jörg Kräker. 2004, vor 21 Jahren, habe die erste Veranstaltung für eine Konzeptentwicklung stattgefunden. „Damals war das hier eine Ruine“, erinnerte er. Seitdem seien neue Fenster eingebaut, das Dach abgedichtet, 400 Tonnen Schutt herausgeholt und bereits 2,5 Millionen in die Bestandssicherung gesteckt worden. „Ohne unser Konzept hätten wir nicht den Bundespreis gewonnen!“
Deshalb forderte auch Jochen Neumann „Mut zum Risiko“ und riet dazu, Visionen zu verfolgen.
„Ihre Visionen haben der Stadt ein 4,4-Millionen-Defizit gebracht“, konterte Gordon Roth und ging noch einen Schritt weiter: „Auch das Turmfest können wir uns nicht leisten!“ Er forderte ein „nachhaltiges Konzept“ für das Stadtbad.
„Aber es gibt dieses Konzept doch“, entgegnete Matthias Grunert kopfschüttelnd. „Das hat den Fördermittelgeber überzeugt. Wenn wir das Stadtbad leerstehen lassen, bleiben wir auch auf Kosten sitzen.“ Das Gebäude sei sicherlich nicht für alle Zwecke geeignet, meinte der SPD-Kandidat, „aber jetzt haben wir die Chance, uns einfach mal auf den Weg zu machen“. Grunert schlug obendrein vor, die Jugend mehr an der Ausgestaltung der Nutzungsmöglichkeiten zu beteiligen: „Da ist noch viel Musik drin!“
Auch Felix Menzel (CDU) empfahl, mehr Leute und Ehrenamtler einzubeziehen. Einzelkandidat und Handwerker Olaf Wendel meinte, es gebe ja schon genügend Ideen. „Wir sollten das hier mit regionalen Handwerkern machen. Alles ist denkbar. Wir dürfen das Gebäude nicht ungenutzt stehen lassen!“
Eine Bürgerin verwies auf eine andere Bauruine in der Beelitzer Straße. „Auch die muss gesichert werden. Auch das kostet Geld.“ Sie wünsche sich für die Zukunft, „dass etwas aus dem Stadtbad gemacht wird“.
Welche Alternativen gebe es denn überhaupt zum bestehenden Konzept und dem Einsatz der Fördermittel und des städtischen Eigenanteils, wollte Moderator Norbert Poppe abschließend von den drei Bürgermeisterkandidaten wissen.
„Das ist alternativlos“, sagte Jochen Neumann. „Das ist eine einmalige Chance.“
„Die Alternative kann nur der Verkauf sein“, antwortete Gordon Roth (GfL).
„Dann wird das Baudenkmal der Öffentlichkeit entzogen“, widersprach Matthias Grunert (SPD). Das dürfe nicht geschehen.
„Wenn‘s für die Einwohner attraktiv ist, kommen die Touristen von allein“, warf noch Tourismus-Expertin Bettina Wedde am Schluss ein.
Anmerkung des Autors:
2001 wurde die vielgerühmte Mendelsohnhalle für eine D-Mark verkauft. Sie findet in allen architekturhistorischen Büchern weltweit Erwähnung. Sie ist DAS Wahrzeichen Luckenwaldes als einst moderne Industriestadt schlechthin. Seit dem Verkauf blieb die Halle ungenutzt und verfiel weiter. Das bemerkenswerte Dach musste mit öffentlichen Geldern gesichert werden, weil sich der Käufer nicht rührte. Das Bauwerk ist seitdem der Öffentlichkeit verschlossen. Nur so viel zum Thema Verkauf.
KORREKTUR bzw. Ergänzung:
Das Heimatmuseum Luckenwalde bietet Führungen durch die Mendelsohnhalle an. Damit ist das Gebäude durchaus zugänglich für organisierte Besuchergruppen. Das wird auch gern genutzt und zieht viele internationale Gäste an. Dennoch steht die Halle ansonsten ungenutzt herum. Der Zahn der Zeit nagt an ihr und auch an dem mit Steuergeldern gesicherten Dach.